Die Tage vom 25. bis zum 27. Juni in Zwickau waren „Tage der Poesie“
Zum dritten Mal organisierte Ralph Grüneberger, als Vorsitzender, die von der Gesellschaft für zeitgenössische Lyrik veranstalteten „Tage der Poesie in Sachsen“. Eine Tagung – begleitet von einem abwechslungsreichen Rahmenprogramm – die sich 2015 „Spiel-Arten“, also die Verbindungen und Verhältnisse von Poesie zu Musik, bildender Kunst und seiner darstellerischen Umsetzung zum Gegenstand machte. Unter der Tagungsleitung von Monika Hähnel, fanden sich 50 Teilnehmer im Robert-Schumann-Haus zusammen. Der große Komponist hat sich – so Thomas Synofzik, Leiter des Hauses – als Lyriker versucht, bevor er sich der Musik widmete.
Der Themenkomplex von Singbarkeit, Klangbarkeit und Perfomativität bildete den Einstieg. Nadine Maria Schmidt und Maria Schüritz befragten vertonte Lyrik und lyrische Liedtexten nach ihren Grenzen und Möglichkeiten. Franziska Holzheimer beleuchtete „Authentizitätsstrategien“ und „Bühnenselbstkonstruktionen“ in Hinblick auf die Form des Poetry Slams. Im Anschluss sprachen Salean A. Maiwald über die Wirkung des Vokalreichtums vorgetragener Gedichte, Frank Norten wortgenau über Funktionen von Lyrik, während Franzsika Röchter auf Musik und Performance als attraktive Mittel verwies.
Die Beiträge von Jutta Pillat und Eugen Gomringer behandelten die Spiel-Arten der Lyrik an sich und mit sich. Während Jutta Pillat für die Non-sense Lyrik als Animation zum Schreiben, damit einhergehend als Möglichkeit die Sprache zu „beobachten wie einen Organismus“ plädierte, verdeutlichte der „Vater der konkreten Poesie“ in einem Beitrag zu Entstehungs- und Wirkungsgeschichte dieser Gedichtform, dass die Lyrik nicht lediglich einzelne Werke, sondern ganze Strömungen als Inspiration – hier die „konkrete Kunst“ – zu nutzen vermag. Eugen Gomringer veranschaulichte eindrucksvoll den scheinbar unendlichen Referenzraum der Poesie und zugleich wie Sprache, Laute und Schrift als „visuelle Poesie“ selbst zum Bild werden können. Die weiteren Redebeiträge dieses Abschnitts lassen sich grob unter dem Gegenstand der Vermittlung von und durch Lyrik unter räumlichen Aspekten beschreiben. So problematisierte Harald Gröhler die inhaltliche Einteilung – die Singularität der einzelnen Texte innerhalb der Pluralität – eines Gedichtbandes. Alltagspoesie als Kommunikationsform wurde verteidigt von Dieter Treeck, und der „Flusspoet“ Thorsten Trelenberg stellte sein Projekt der „Poesieoasen“ vor, in welchem Lyrik durch Einfügen in Natur und Architektur, an Bedeutung und Aufmerksamkeit gewinnt.
Thomas Zandegiacomo Del Bel stellte das bemerkenswerte Format des Gedichtfilms vor und reduzierte sich in seiner Ausführung gemäß der Bandbreite filmerischer Umsetzung auf mit Schrift arbeitende Filme. Gabriele Frings eröffnete den Komplex zur „Lyrik und bildende Kunst“ mit ihrer Darstellung des Gedichts als ein Bild „mit Umweg über den Verstand.“ Monika Littau und Heidi Bergmann erweiterten den Diskurs um eigene Erfahrung und Wertungen. Über praktische gemeinsame Künstlerarbeit und wechselseitige Inspiration berichteten Ute Leukert und Michele Cyranka sowie Maren und Wolfgang Schönefeld.
Im Folgenden lenkte Matthias Biskupek auf die ebenso vorhandenen Grenzen der Zusammenarbeit von Künstlern. In einem schematischen und deshalb beachtenswerten Vortrag differenzierte Jens-Fietje Dwars zwischen klassischer Illustration, der allegorischen Verdichtung, der Typografie und freier-rhythmischer Umsetzung als Typen von Gedichtillustrationen in zunehmender Unabhängigkeit des Bildes zum Text.
Im letzten Tagungsblock wurde zunächst politische Lyrik und das Flugblatt als ihr Medium von Reiner Rebscher erörtert. Manfred Jendryschik grenzte die Poesie von der Malerei bezüglich des Handwerks ab, woraufhin Peter Gosse mit einem Ausblick darauf, was die Wortkunst von der Bildkunst bezüglich der Griffigkeit und Unfertigkeit gelernt hat und noch lernen kann, den Abschluss bildete.
Das die Tagung begleitende Rahmenprogramm begann bereits am Nachmittag des 25. in Form von zwei Lesungen mit Musik: Den Anfang machte in der Hochschulbibliothek von Zwickau – passend umrahmt von einer Kunstausstellung – die Lesung von Gabriele Frings, Ralph Grüneberger, Siegmar Faust, begleitet von Maria Schüritz‘ souligen Songs. Am Abend waren Eugen Gomringer, Monika Littau, Frank Norten, Maren Schönfeld und Franziska Röchter in der Stadtbibliothek im über 500 Jahre alten Kornhaus zu hören. Den musikalischen Part – diesmal etwas avantgardistischer – gestalteten Thomas Heyn und Helen Ispirian.
In der atmosphärischen Ratsschulbibliothek Zwickaus lasen am Abend nach der Tagung Safiye Can, Peter Gosse, Manfred Jendryschik und André Schinkel zwischen holzvertäfelten Wänden und Bücherregalen. Im Soziokulturellen Zentrum „Alter Gasometer“ zogen Franziska Holzheimer und Roman Israel sowie ein „PoesieSlam“(-Wettbewerb) ein junges, begeisterungsfähiges Publikum an.
Der letzte Tag der Poesie öffnete dann mit einer stimmungsvollen Kaffeehauslesung im Marktcafé, bei welcher Dieter Treeck und Krisztin Kiss mit Chansons und Kaffeehausliteratur ihr Publikum im überfüllten Raum unterhielten. Anschließend bedankten sich Heidi Bergmann, Eveline Hoffmann, Helga Westphal und Monika Hähnel, als Mitglieder des Mitveranstalters Förderstudio Literatur Zwickau, bei den Gästen aus Zwickaus Partnerstadt Dortmund mit literarischen Versuchen zum Thema Kaffeehaus. Bis spät in die Nacht lagen vier Song Slamer im „Alten Gasometer“ im Wettstreit, eingestimmt von den Singer-Songwritern Rainer „Reno“ Rebscher, Nadine Maria Schmidt und Olaf Stelmecke.
Die Tage der Poesie vermochten durch ihre alles durchfließende Vielfältigkeit in Bezug auf Veranstaltungsorte, -arten und Wortbeiträge beflügeln. Sie zeigten nachdrücklich, dass künstlerische Inspiration und Bereicherung in beständiger Wechselwirkung nicht nur mit anderen Kunst-Arten, sondern eben auch in verschiedenen Räumlichkeiten mit anderen Künstlern (ent-)stehen.
Lena Wachweger
Dieser Beitrag erscheint in der Septemberausgabe der “Umschau” der Arbeitsgemeinschaft Literarischer Gesellschaften und Gedenkstätten (ALG)